Wienerisch aus Wiener Sicht

Herzlichen Dank an Daniela Pucher für den Blogwichtel aus dem Texttreff:

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Als ich vor vielen Jahren mit dem Zug von Florenz nach Wien fuhr, saß mir eine junge Italienerin gegenüber. Wir redeten über das Woher und das Wohin und über unsere Sprachkenntnisse. Ob ich als Österreicherin auch Deutsch könne, fragte sie mich. Ich stutzte. Na sicher! Mein Gegenüber war erstaunt. Die Österreicher klingen doch ganz anders als die Deutschen, meinte sie, viel weicher.

Man möge es ihr nachsehen, dass sie wohl die Ostösterreicher im Kontrast zu den Norddeutschen gemeint hat. Denn im Süden Deutschlands klingt es doch auch recht weich. Und Westösterreicher haben kein Problem mit harten Konsonanten, nein, gar nicht. Die bräuchten eigentlich mindestens drei K auf ihrer Tastatur und eine eigene Taste fürs „ck“. Ein Umstand, der auf einen Wiener eher befremdlich wirkt.

Wir Wiener wollen’s weich
Genau. Oder wie die Wienerin sagen würde: Mia Weana haum’s gean waaach. Und so wird sogar das „b“ eliminiert: „Haben es“ verschmilzt zu „haum’s“. Das „r“ in „gern“ ist uns auch ein Dorn im Auge, da nehmen wir lieber einen Vokal: gean.

Uns ist jeder harte Konsonant zu anstrengend. Viel zu viel Kraft braucht man da, um so eine Luftexplosion im Mund zustande zu bringen für ein P oder ein K oder ein T. Der deutsche Freund einer meiner Freundinnen hatte regelmäßig seinen Spaß, wenn wir mit dem Auto „danken“ fuhren. Und er kicherte auch, als ich einmal meinen Nachnamen buchstabierte: „Bucher mit hartem B am Anfang.“ J In Wien trinkt – nein, also: man „dringd“ lieber „Gaugau“ und selbst der Tee schmeckt besser, wenn er „Dee“ heißt.

Wobei ich schon einwenden muss: Ich höre einen Unterschied zwischen einem K und einem „harten G“, ganz ehrlich! Der „Gaugau“ wird einen Millimeter weiter hinten im Gaumen gesprochen als die Gans zum Beispiel. Und wir sind nicht bei jedem Wort so schlampig. Der Kaffee, unser Nationalgetränk, hat schon eher ein K am Anfang als ein G. Damit’s aber nicht zu hart wird (oiso, des geht jo goa ned!), lassen wir die zwei f (die im Norden so wichtig genommen werden) links liegen und zelebrieren das Doppel-e am Schluss: Kafeee.

Selbstlaute, besonders a und e
Womit wir bei der nächsten Eigenheit des Wienerischen sind. Wir mögen es, Vokale laaaaange auf der Zunge zu haben, weswegen unsere Sprache wohl etwas schleppend klingt. Mit einem norddeutschen Ghostwriter-Kollegen hatte ich einmal einen kurzen Austausch über unser Wort „fad“. „Langweilig“, so meinte er, würde nicht annähernd diesen Zustand wiedergeben, wie unser „faaaad“ es tut. Stimmt. Wenn mir fad ist, dann immer mit mindestens fünf a drin. Womit ich meine deutschen Kolleginnen auch immer wieder amüsieren kann: „Paaaasst scho‘!“, sag ich, wenn ich mit einer Sache zufrieden bin.

A und e, so scheint mir, haben bei uns einen besonders guten Stand. Vielleicht liegt’s daran, dass man bei diesen beiden Vokalen den Mund am wenigsten bewegen muss. Wir sind halt ein bissl mundfaul. Ein durchaus beliebtes e-Wort ist „geh“. Sehr praktisch, weil vielfältig verwendbar, besonders typisch aber so: „Na geeeeh!“, sagen wir, wenn wir mit einer Sache unzufrieden sind. In diesem „na geeeeh“ schwingt ganz viel von dem mit, wofür wir auch berühmt sind: das Raunzen, auf Wienerisch „des Raunzate“ (Betonung auf dem au). Auch ein bisschen was Raunzertes hat es, wenn wir jemanden „wegstampern“, also vertreiben wollen: Geeh weida doo!

Noch ein Indiz unserer Mundfaulheit: einfach weglassen
Also ich persönlich finde ja schon, dass wir’s auch kurz draufhaben, vor allem, wenn wir Buchstaben aus purer Bequemlichkeit verschlucken. Quasi als Ausgleich zu den langgezogenen Wörtern. „Ich habe gespielt“ ist immer ein „I hob gspüt“. Na, wenn das nicht kurz ist! Bei uns wird g’locht (gelacht, mit offenem o ausgesprochen) und g’reat (geweint, Betonung auf dem e und das a nur angedeutet), und weil zwei g hintereinander ein Zungenbrecher wären, wird gangan (gegangen, das erste a ist ein halbes o) und gessen (gegessen). Nein, die Vorsilbe „ge-“ hat in unserer Sprache keinen leichten Stand nicht.

Nein, nie nicht!
Diese doppelte Verneinung war jetzt kein Verschreiber. Auch das ist eine wienerische Marotte: „I hob ka Göd ned“, sagen wir mit betrübtem Blick ins leere Geldbörsel. Und während man im hohen Norden auf eine absurde Aufforderung entrüstet mit „Aber sicher nicht!“ antwortet, kommt den Wienern mitunter ein „Na, oba nia ned!“ über die Lippen. Und während ich beim Schreiben das jetzt probehalber laut ausspreche, wird mir klar: Kein Wunder, dass man uns des Nuschelns bezichtigt.

Herzig: das Zwutschgerl
Wenn ich nördlich des Weißwurstäquators den Mund aufmache, werde ich sehr oft angegrinst. „Ach, deine Sprache ist so herzig!“ Herzig? Also … bitte berichtigen Sie mich, wenn ich irre: Das muss in erster Linie an unserer Endsilbe „-erl“ liegen. Stimmt‘s? Ein kleines Mädchen ist ein Mäderl oder ein Menscherl, ein kleiner Junge ein Buberl. Meine To-do-Liste erhält ein Hakerl, wenn ich etwas erledigt habe (nicht vergessen, das k wie ein hartes g auszusprechen!). Eine Kaffeetasse ist ein Häferl und ich treffe mich gern abends auf ein Glaserl Wein beim Heurigen. Ja, wenn wir etwas zwutschkerlmäßig kleinmachen, dann hat das ein bisserl was Liebevolles, gell? Da wirkt es auch gar nicht so bös, wenn wir jemanden häkerln, also pflanzen, also foppen – oder wie sagen Sie dazu?

Pfiat Ihna! *

Daniela Pucher

* Als Gegenstück zu „Griaß Ihna“ ein Abschiedsgruß, der sich aus „behüten Sie sich“ entwickelt hat.

Zur Autorin: Mag. Daniela Pucher ist Autorenberaterin, Schreibcoach und Ghostwriter für Wirtschaft und Psychologie. Sie lebt und arbeitet in Wien. www.daniela-pucher.at

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